Onkelchens Traum by Dostojewski Fjodor

Onkelchens Traum by Dostojewski Fjodor

Autor:Dostojewski, Fjodor
Die sprache: deu
Format: epub


KAPITEL IX

Er hatte alles gehört, alles!

Er trat tatsächlich nicht ins Zimmer, sondern stürzte herein, blaß vor Aufregung und vor Wut. Sinaida sah ihn erstaunt an.

„Also so sind Sie!“ rief er keuchend. „Endlich habe ich erfahren, was Sie für eine sind!“

„Was ich für eine bin?“ wiederholte Sinaida, ihn wie einen Irrsinnigen anblickend, und ihre Augen begannen vor Zorn zu funkeln.

„Wie können Sie es wagen, in dieser Weise mit mir zu reden!“ rief sie und trat auf ihn zu.

„Ich habe alles gehört!“ rief Mosgljakow noch einmal triumphierend, wich aber unwillkürlich einen Schritt zurück.

„Sie haben es gehört? Sie haben an der Tür gehorcht?“ fragte Sinaida, ihn verächtlich anblickend.

„Ja, das habe ich getan! Ja, ich habe mich zu einer so unwürdigen Handlungsweise entschlossen; aber dafür habe ich erfahren, daß Sie selbst eine höchst ... Ich weiß nicht einmal, wie ich mich ausdrücken soll, um Ihnen zu sagen ... als was für eine Sie sich jetzt herausgestellt haben!“ antwortete er; aber er wurde unter Sinaidas Blicken immer zaghafter.

„Aber selbst wenn Sie alles gehört haben, in welcher Hinsicht können Sie mir einen Vorwurf machen? Welches Recht haben Sie, mir Vorwürfe zu machen? Welches Recht haben Sie, in dieser dreisten Art mit mir zu reden?“

„Ich? Welches Recht ich habe? Das fragen Sie noch? Sie wollen den Fürsten heiraten, und ich soll kein Recht haben, so zu fragen! Und Sie haben mir doch Ihr Wort gegeben; das ist die Sache!“

„Wann hätte ich das getan?“

„Welche Frage!“

„Ich habe Ihnen doch noch heute morgen, als Sie in mich drangen, mit aller Entschiedenheit geantwortet, daß ich Ihnen nichts Bestimmtes sagen könne.“

„Aber Sie haben mich nicht fortgewiesen, meinen Antrag nicht endgültig abgelehnt; also haben Sie mich als Reserve zurückbehalten! Also haben Sie mich angelockt.“

Auf dem Gesichte der erzürnten Sinaida wurde eine schmerzliche Empfindung sichtbar, wie von einem scharfen, durchdringenden inneren Schmerze; aber sie überwand dieses Gefühl.

„Wenn ich Sie nicht fortgewiesen haben“, antwortete sie klar und langsam, obgleich ihrer Stimme ein fast unmerkliches Zittern anzuhören war, „so habe ich das nur aus Mitleid unterlassen. Sie haben mich selbst darum gebeten, die Entscheidung noch aufzuschieben, Ihnen nicht jetzt gleich nein zu sagen, sondern Sie erst näher kennenzulernen; Sie sagten: ,Dann, dann, wenn Sie sich davon überzeugt haben werden, daß ich ein achtenswerter Mensch bin, dann werden Sie mich vielleicht nicht zurückweisen.’ Das waren Ihre eigenen Worte gleich beim Beginn Ihrer Bewerbung. Sie können diese Ihre Worte nicht ableugnen! Sie haben gewagt, mir jetzt zu sagen, ich hätte Sie angelockt. Aber Sie haben selbst meinen Widerwillen gesehen, als ich Sie heute wiedersah, zwei Wochen vor dem Termine, bis zu dem Sie fortzubleiben versprochen hatten, und diesen Widerwillen habe ich Ihnen nicht verheimlicht, sondern offen an den Tag gelegt. Sie haben das selbst bemerkt; denn Sie haben mich selbst gefragt, ob ich auch nicht böse darüber sei, daß Sie schon früher wiedergekommen wären. Sie werden wissen, daß man den nicht anlockt, dem man seinen Widerwillen gegen ihn nicht verheimlichen kann und vor allen Dingen nicht verheimlichen will. Sie haben zu sagen gewagt, ich hätte Sie als Reserve zurückbehalten.



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